Darstellung der Mitose eines Zellkernes in rot auf schwarzem Hintergrund.

Embryonale Stammzellen und Krebsrisiken

Die Trans­plan­ta­ti­on undif­fe­ren­zier­ter embryo­na­ler Stamm­zel­len in immun­kom­pa­ti­ble Orga­ne erzeugt im Gegen­satz zu der Trans­plan­ta­ti­on feta­ler oder adul­ter Stamm­zel­len Ter­ato­me oder Teratokarzinome.

Das Risi­ko der Tumor­bil­dung sinkt mit fort­schrei­ten­der Rei­fung und lässt sich nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung durch Prä­dif­fe­ren­zie­rung der Stamm­zel­len ver­läss­lich ver­mei­den. Die­se Hypo­the­se wird durch zahl­rei­che Unter­su­chun­gen gestützt, in denen nach der Trans­plan­ta­ti­on von prä­dif­fe­ren­zier­ten embryo­na­len Stamm­zel­len kei­ne Bil­dung von Tumo­ren beob­ach­tet wurde.

Es han­del­te sich bei die­sen Expe­ri­men­ten jedoch über­wie­gend um xeno­lo­ge Trans­plan­ta­te, also um Tier­ver­su­che, bei denen prä­dif­fe­ren­zier­te embryo­na­le Stamm­zel­len einer Spe­zi­es (etwa der Maus oder des Men­schen) auf eine ande­re Spe­zi­es über­tra­gen wur­den. In einer neue­ren Arbeit stell­te sich jedoch her­aus, dass im xeno­lo­gen Sys­tem nicht nur die Trans­plan­ta­ti­on prä­dif­fe­ren­zier­ter, son­dern auch die Trans­plan­ta­ti­on undif­fe­ren­zier­ter embryo­na­ler Stamm­zel­len kei­ner­lei Tumor­bil­dung erken­nen ließ (1).

In die­ser in den Pro­cee­dings of the Natio­nal Aca­de­my of Sci­ence publi­zier­ten Unter­su­chung wur­den undif­fe­ren­zier­te muri­ne embryo­na­le Stamm­zel­len in das Gehirn immun­sup­p­ri­mier­ter Rat­ten trans­plan­tiert. Bei die­sen Tie­ren wur­de expe­ri­men­tell durch Ver­schluss der Arte­ria cere­bri media ein Schlag­an­fall aus­ge­löst.
Die Stamm­zel­len wan­der­ten vom Trans­plan­ta­ti­ons­ort über das Cor­pus cal­lo­sum in die vom Schlag­an­fall betrof­fe­ne gegen­sei­ti­ge Hemi­sphä­re und sie­del­ten sich nach spon­ta­ner Dif­fe­ren­zie­rung in Neu­ro­ne und Glia­zel­len in der Rand­zo­ne des Infark­tes an. Die­se Befun­de erweck­ten die Hoff­nung, dass im Gehirn – im Gegen­satz zu
ande­ren Kör­per­or­ga­nen – auch die Trans­plan­ta­ti­on undif­fe­ren­zier­ter embryo­na­ler Stamm­zel­len nicht zur Tumor­bil­dung, son­dern zu einem krank­heits­ge­rich­te­ten, selbst­ge­steu­er­ten Ersatz der ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen Hirn­zel­len führt.

Die Wie­der­ho­lung die­ses Ver­su­ches im homo­lo­gen Sys­tem – das heißt die Trans­plan­ta­ti­on muri­ner Stamm­zel­len in das Gehirn von Mäu­sen – ergab jedoch, dass dies nicht der Fall ist (2). Statt­des­sen wur­den nicht nur nach Trans­plan­ta­ti­on undif­fe­ren­zier­ter, son­dern auch nach Trans­plan­ta­ti­on prä­dif­fe­ren­zier­ter Stamm­zel­len in nahe­zu 100 Pro­zent hoch­ma­li­gne Tera­to­kar­zi­no­me indu­ziert, wie aus der Arbeit, die im Jour­nal of Cere­bral Blood Flow and Meta­bo­lism publi­ziert wur­de, her­vor­geht. Die hohe Tumo­r­in­zi­denz war unab­hän­gig von Geschlecht, Alter, Mäu­se­stamm oder beglei­ten­der Immunsuppression. 

Erstaun­lich war auch die gerin­ge Anzahl undif­fe­ren­zier­ter Stamm­zel­len, die für die Tumor­in­duk­ti­on aus­rei­chend war: Bereits 500 undif­fe­ren­zier­te Zel­len ent­wi­ckel­ten sich inner­halb von zwei Wochen zu makro­sko­pisch sicht­ba­ren Tumo­ren. Dies erklärt auch die Tumor­in­duk­ti­on der prä­dif­fe­ren­zier­ten Zel­len: Obwohl der Rein­heits­grad der ver­wen­de­ten Nes­tin-posi­ti­ven/Oc­t4-nega­ti­ven Zel­len bei mehr als 99 Pro­zent lag, waren offen­sicht­lich immer noch genü­gend undif­fe­ren­zier­te Zel­len vor­han­den, um ein Tumor­wachs­tum auszulösen.

Die Ursa­che für den ekla­tan­ten Unter­schied im Tumor­ri­si­ko homo­lo­ger und xeno­lo­ger Stamm­zell­trans­plan­ta­te ist der­zeit noch unbe­kannt. Sofern es sich, wie zu befürch­ten ist, um ein grund­sätz­li­ches Pro­blem der homo­lo­gen Trans­plan­ta­ti­on han­delt, hät­te dies gra­vie­ren­de Kon­se­quen­zen für die Sicher­heits­be­wer­tung von huma­nen embryo­na­len Stamm­zel­len. Da huma­ne Stamm­zel­len prä­kli­nisch nur im xeno­lo­gen Sys­tem auf ihre Tumo­ri­ge­ni­tät über­prüft wer­den kön­nen, lässt sich ihr Ver­hal­ten unter homo­lo­gen kli­ni­schen Bedin­gun­gen nicht vor­aus­sa­gen. Mit den der­zeit ver­füg­ba­ren Test­ver­fah­ren wird es des­halb nicht mög­lich sein, die Sicher­heit von embryo­na­len huma­nen Stamm­zel­len vor ihrem kli­ni­schen Ein­satz zu über­prü­fen. hsm

Lite­ra­tur
1. Hoehn M, Küs­ter­mann E, Blunk J, Wie­der­mann D, Trapp T, Wecker S, Föcking M, Arnold H, Hesche­ler J, Fleisch­mann BK, Schwindt W, Bühl C: Moni­to­ring of implan­ted stem cell migra­ti­on in vivo: A high­ly resol­ved in vivo magne­tic reso­nan­ce ima­ging inves­ti­ga­ti­on of expe­ri­men­tal stro­ke in rat. Proc Nat Acad Sci (USA) 2002; 99: 16267–16272.
2. Erdö F, Bühr­le C, Blunk J, Hoehn M, Xia Y, Fleisch­mann B, Föcking M, Küs­ter­mann E, Kolos­s­ov E, Hesche­ler J, Hoss­mann K‑A, Trapp T: Host-depen­dent tumo­rig­e­ne­sis of embryo­nic stem cell trans­plan­ta­ti­on in expe­ri­men­tal stro­ke. J Cereb Blood Flow Metab 2003; 23: 780–785.

Prof. Dr. Konstantin‑A. Hoss­mann, Max-Planck-Insti­tut für neu­ro­lo­gi­sche For­schung, Gleue­ler Stra­ße 50, 50931 Köln, E‑Mail: hossmann@mpin-koeln.mpg.de

Quelle

www.aerzteblatt.de/archiv/38906/Tumorrisiko-embryonaler-Stammzellen

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